Vor kurzem habe ich einen Artikel mit dem Titel „Agil… nicht durch Scrum, sondern mit Scrum“ verfasst. Möglicherweise habe ich den Inhalt in diesem Artikel, für erfahrene Agilisten, nicht so genau auf den Punkt gebracht. Ich werde es hier also noch einmal etwas konkreter versuchen.
Man kann agil sein, ohne Scrum oder Kanban anzuwenden. Man kann auch Scrum anwenden und dadurch nicht sonderlich agil werden, auch das habe ich schon mehrmals gesehen.
Nehmen wir folgendes Beispiel an: Nur, weil ein Solution Manager jetzt Product Owner heißt, seine Anforderungen aufschreibt und das Dokument dann ‚User Story‘ nennt, wendet er noch keine agile Methode an. Ich habe solche Dokumente gesehen, die sich kaum von herkömmlichen Anforderungsdokumenten unterschieden haben, jedoch der Titel dieser Dokumente dann plötzlich „User Story“ war. Ich fand in diesen Dokumenten nicht viel von der eigentlichen Idee einer User Story, ganz im Gegenteil. Trotzdem waren viele in der Organisation aus Unwissenheit stolz, nun User Stories zu schreiben. Daran ist auch nicht viel auszusetzen, solange das Dokument gute Anforderungen beschreibt, und es für den verwendeten Arbeitsablauf hilfreich ist. Es ist allerdings dadurch noch nichts agiler geworden, obwohl es eine Person mit dem Titel Produkt Owner gibt, und ein Dokument namens „User Story“.
Gleichzeitig sah ich, dass das Team einen Scrum Master hatte. Dieser Scrum Master war nicht unbedingt der Coach für das Team, sondern in dem Fall die Person, welche die Meetings organisierte, die Tools betreute, und hin und wieder mit Problemen zu einem Manager ging, um eine Lösung zu bekommen. Beim letzten Punkt könnte man der Meinung sein, es ginge um das Aufarbeiten von Impediments, was eine wichtige Aufgabe ist – keine Frage. Den Rest würde ich eher als Assistenzaufgaben sehen – nicht als Kernaufgaben eines Scrum Coaches.
Hat sich für das Team dadurch etwas verändert? Ich denke schon: Schließlich gibt es neue Rollen und neue Dokumentnamen. Ist das jetzt aber agil? Hat sich dadurch etwas zum Besseren verändert? Wahrscheinlich nicht, nein.
Sehen wir uns ein anderes Beispiel an: Vor kurzen war ich bei einem Team, das versucht hat, eine agile Methode einzuführen, um besser zu werden. Während der Einführung dieser Methode kam dieses Team zum Entschluss, dass es schon viele der agilen Grundsätze anwendet, und dass sie durch die Einführung ihrer gewählten agilen Methode die Qualität der Zusammenarbeit vielleicht nicht unbedingt so stark verbessern, sondern hauptsächlich verändern würden, denn die Grundsätze von Agilität hatten sie ja schon gut etabliert – durch Hausverstand, und weil sie ausreichend Freiraum hatten, sich zu entfalten.
War dieses Team nun perfekt organisiert? Nein, aus meiner Sicht nicht. Perfekt war es auch nicht, aber wann ist ein Team schon perfekt? Dieses Team war gut, und es war auch aus meiner Sicht gar nicht notwendig, hier eine bestimmte agile Methode einzusetzen, denn viel wichtiger war es, in dem Team ein paar andere Grundsätze zu verankern, die es noch nicht bewusst verwendet hatte. Z.B.: das bewusste Einsetzen von kontinuierlicher Verbesserung in kurzen Zyklen.
Was heißt jetzt eigentlich Agilität?
Ich versuche es mal so zu beschreiben:
- Den Kunden im Fokus der Tätigkeiten haben
- An den Dingen als Nächstes zu arbeiten, die den größten Wert für den Kunden bringen
- Wertsteigerungen in kurzen Zyklen liefern
- Eine offene und transparente Kommunikation im Team und mit den Stakeholdern zu haben
- Selbstorganisierte Vorgehensweise im Team
- Kurzfristig auf Veränderungen reagieren zu können
Und da gibt es sicher noch weitere gute Punkte.
Was ich damit sagen will, ist, dass man agil sein kann, ohne eine bestimmte agile Methode im Konkreten einzusetzen.
Was ich so richtig gut finde, ist, sich mit Agilität im Sinne von „agil sein“ zu beschäftigen und das gleichzeitig mit der richtigen Methode umsetzt. „Agil sein“ hat was mit Menschen und deren Einstellung zu tun.
War das nicht auch bisher mit den klassischen Projektmanagement-Methoden gleich? Die Methode allein verbessert nicht viel. Erst das Einsetzen der richtigen Tools durch Menschen, die mit diesen Instrumenten einen bestimmten Zweck verfolgen, bringt ein gutes Ergebnis. Und so ist es auch mit den agilen Methoden.
Klingt logisch, oder?